Beweidung

Die Strukturvielfalt von beweideten Flächen liegt deutlich über der von Wiesen. Wegen des selektiven Fraßes der Tiere, ihrem unterschiedlichen Fressverhalten bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen, sowie den großen jahreszeitlichen Unterschieden in der Futterqualität aber auch durch die Ausscheidungen der Tiere, entstehen deutliche Unterschiede im verbleibenden Pflanzenaufwuchs.

Ziegen können einen deutlich höheren Anteil ihres Futterbedarfs als andere Haustiere durch Blätter, Rinde und Gehölztriebe decken (bis ca. 60 %). Dabei wird mehr Laub gefressen, je älter der Aufwuchs in der Krautschicht ist. Insgesamt nutzen Ziegen so ein breiteres Spektrum an Futterpflanzen als alle anderen Nutztiere. Bei hohem Futterangebot selektieren sie dabei stark, bei geringem Angebot wird hingegen fast alles fressen.

Sie können Gehölze bis in 2 m Höhe verbeißen, indem sie sich auf die Hinterbeine stellen. Dünne Stämme werden auch niedergedrückt. Die krautige Vegetation wird tief verbissen. Auch dornige Sträucher wie Schlehe, Weißdorn und Rosen werden gerne befressen und junge Stämme ohne allzu dicke Borke geschält.

Bäume ab 25 bis 30 cm BHD werden kaum noch geschädigt, wobei nach unserer Erfahrung die Gewöhnung, Beweidungsform und Präferenzen einzelner Tiere sowie die Jahreszeit und die relative Häufigkeit der Baumart eine Rolle spielen. Sollen bestimmte Gehölze wie Obstbäume gar nicht verbissen werden, ist daher in jedem Fall vorsorglich ein stabiler Schutz nötig. Wir haben unterschiedlichste Systeme erprobt und beraten hier bei Bedarf gerne.

Ziegenbeweidung ist die optimale Erstpflegemaßnahme für verbuschte Flächen, da durch den Verbiss stockausschlagende Gehölze besonders effektiv zurückgedrängt werden. Die Ziege ist damit das ideale Tier, um zugewachsene Flächen über wenige Jahre hinweg wieder dem Urzustand Streuobstwiese zuzuführen.

Bei der Beweidung ist die Krautschicht von besonderer Bedeutung, da in dieser Schicht viele der geschützten Pflanzen wachsen. Auch bei kurzer jährlicher Beweidungsdauer durch Ziegen zeigt sich ein positiver Einfluss auf die pflanzensoziologische Zusammensetzung. Die Anzahl der Pflanzenarten der Krautschicht steigt durch die Beweidung deutlich, ohne Pflegemaßnahmen sinkt sie dagegen. Ohne Pflegemaßnahmen gehen vor allem Kräuter quantitativ um 50 % und qualitativ auf 20 % zurück. Leguminosen nehmen nur leicht zu, dagegen geht der Gehölzanteil durch die Pflege erheblich zurück. Durch die Beweidungsaktivität der Ziegen kann auch die Moos- und Streuschicht reduziert und so die Keimung vieler Pflanzenarten begünstigt werden. Hiervon profitieren besonders die konkurrenzschwachen Arten der Trockenrasen sowie Polsterpflanzen.

Durch die Beweidung mit Wiederkäuern erschließen sich zudem neue Nahrungsketten – ein Schlüsselfaktor für Artenvielfalt. Aus dem Dung der weidenden Tiere entwickeln sich unzählige Käfer, Fliegen und Würmer, die Nahrungsgrundlage für Fledermäuse, Vögel und Amphibien darstellen. Da sich aber auch Nager entsprechend vermehren, sollte auf Streuobstwiesen im längeren Turnus auch eine Nachmahd erfolgen. Durch einen gleichmäßigen, kurzen Schnitt haben Raubvögel ungehindert Zugriff auf Nager und können dadurch Wurzelfraß an den Obstbäumen auf natürliche Weise gering halten.

Für die Biodiversität spielt aber auch insbesondere der Boden eine Rolle. Boden enthält neben Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen, Algen und Einzellern auch eine ausgeprägte Bodenfauna (u.a. Fadenwürmer, Regenwürmer, Milben, Asseln, Springschwänze, Insekten). Insgesamt leben rund 25 % der gesamten auf der Erde vorkommenden Arten im Boden. Allerdings schätzt man, dass die bekannten und erforschten Arten nur 1 % des dortigen Vorkommens ausmachen. In terrestrischen Ökosystemen leben mehr Arten im als auf dem Boden!

Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Boden und der darauf befindlichen Vegetation ebenso wie zur Bewirtschaftung. Diese beeinflusst Humusgehalt und Aggregatstruktur maßgeblich. Bei durch bestimmte Nutzungen entstandenen Ökosystemen wie auch Streuobstwiesen hat sich daher auch die Biozönose des Bodens an die Bewirtschaftung angepasst. Auf langjährig beweideten Flächen kommt der Nährstoffumsetzung durch die Weidetiere daher eine wesentliche Rolle zu. Sie ist Vorrausetzung für einen effektiven Humusaufbau und somit einer Anreicherung des Bodenkohlenstoffgehaltes. Damit einher geht ein verbessertes Wasseraufnahme- und –speichervermögen.

Literatur

Schwabe, A. (1997): Zum Einfluß von Ziegenbeweidung auf gefährdete Bergheide-Vegetationskomplexe: Konsequenzen für Naturschutz und Landschaftspflege. – Natur und Landschaft 4: 183–192

Staub, F. (2005): Trockenrasenpflege mit Ziegen im Kaiserstuhl – Ergebnisse der Monitoring-Untersuchungen im Naturschutzgebiet „Badberg“. – 6 S.

Rahmann, G. (2004): Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung des Unterwuchses von hängigen Streuobstwiesen durch Ziegen. – In: Quo vadis Streuobst? – Naturschutzbund, Berlin: 52–65.

Rahmann, G. (2010): Ökologische Schaf- und Ziegenhaltung – 100 Fragen und Antworten für die Praxis (3. Auflage). – Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, Institut für Ökologischen Landbau, Trenthorst; Download: www.uni-kassel.de/fb11agrar/fileadmin/datas/fb11/Dekanat/HonProf_Rahmann/Schafe-Ziegen-Skript.pdf.

Reiser, B. & Binzenhoefer, B. (2007): Begleitende Untersuchungen zum fach- und zielgerichteten Einsatz von Ziegen in der Landschaftspflege 2002 bis 2007 – NSG Marsberg Wachtelberg (Lkr. Wü.). – Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag des Landschaftspflegeverbandes Würzburg e.V. IVL, Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie, Unterfranken Rottenstein.

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